Mit dem Crossrad zu Besuch bei Sindbad dem Seefahrer
Oliver Spitzhorn, Robert Hofmann und Michael Große im Sultanat Oman
„Hello my best friend from Germany“. Da ist er ja wieder, Said Mohammed, unser schlitzohrig-cleverer Taxifahrer aus Muscat, der Hauptstadt des Sultanats Oman im Süden der arabischen Halbinsel. Wir hatten ihn im letzten Jahr kennengelernt und übers Jahr, Whattsapp sei Dank, losen Kontakt gehalten. Für heute haben wir vereinbart, dass er uns in einem Pickup vom internationalen Flughafen in Muscat abholt und zu unserem Hotel bringt.
Wir sind, wie schon im Vorjahr zur gleichen Zeit, wieder zum Radfahren im Oman. Traumhafte Asphaltstraßen ohne viel Verkehr, Sonne satt und schon im Februar über 30 Grad, Gebirgspässe, die sich an Aufstieg und Höhe hinter keinem Alpenpass verstecken müssen und vor allem freundliche und aufgeschlossene Menschen in einer zum Teil atemberaubenden und unberührten Landschaft.
Wir haben die Crossrennräder dabei, um auch auf Schotterpisten voranzukommen, beladen mit Satteltaschen und Zelten, denn übernachten wollen wir irgendwo entlang der Strecke, wo es halt gerade schön ist. Im Oman kein Problem und vor allen Dingen vollkommen ungefährlich. Die einzige Gefahr, die uns all die Tage drohte, war, angesichts der vielen Einladungen der Omanis auf der Tour, nicht voranzukommen, ohne die Gastgeber zu beleidigen.
Mittlerweile hat uns Said Mohammed vor unserem Hotel in Muscat abgesetzt, in dem wir allerdings erst die letzte Nacht vor dem Rückflug übernachten wollen. Jetzt bauen wir erst einmal die Räder zusammen, verstauen Reisegepäck an den Rädern und die Radkoffer im Hotel und keine zwei Stunden nach der Landung sind wir unterwegs . Am ersten Tag geht es noch an der Küste entlang, bevor am Tag 2 die erste ganz große Herausforderung auf uns wartet. Wir wollen auf einem unscheinbaren Sträßchen das Hadjar-Gebirgsmassiv auf einem 2000m-Pass überqueren. Niemand weiß, wie steil das wird und ob die Straße überhaupt mit Rad befahrbar sein wird. Detaillierte Karten und andere Reiseberichte gibt es nicht, also eine historische Erstbefahrung mit dem Rad.
Bis zum Mittag merken wir rasch, dass das wohl nichts wird: Die Straße ist eher ein Eselpfad, so steil und grob geschottert, dass man mit einem Crosser mit Gepäck nicht fahren, ja fast nicht einmal schieben kann. Wenn uns nichts einfällt, werden wir bis zum Abend wohl kaum oben sein und dann wird die Nacht ungemütlich. In einem Dorf, eher nur eine Ansammlung einiger Häuser und Hütten, sehen wir einen im Oman üblichen Toyota-Pickup stehen und entscheiden uns für Verhandlungen: Nach langem hin und her, einer Einladung zu Tee und Datteln und der üblichen Feilscherei ist ein Preis ausgehandelt und der Pickup-Besitzer fährt uns auf den Pass hinauf. Räder und Radfahrer auf der Ladefläche, rumpelt der Pickup die Steigung hinauf. Ohne Vierradantrieb geht hier gar nichts und wir hätten wahrscheinlich noch zwei Tage geschoben, bis wir oben gewesen wären. So schaffen wir den Pass dann doch noch und kommen trotz zahlreicher Gegenanstiege dann gerade zur einbrechenden Dunkelheit auf der anderen Seite an. Als Übernachtungsplätze haben sich auf der Tour Fußballplätze bewährt, die es im Oman zuhauf gibt. Natürlich Hartplätze, aber halbwegs gerade, oft mit Wasseranschluss und, wenn man Glück hat, auch mit Toilette. Abendessen und Frühstück gibt es im „Coffee-Shop“, kleinen, meistens von Pakistanern betriebenen Schnellimbissen, die auch im entlegensten Bergdorf noch zu finden sind.
Am nächsten Tag ändert sich die Landschaft radikal: Eben noch Küste, dann Gebirge und jetzt Wüste: Wir erreichen die Sandwüste Ramlat al-Wihiba (auch bekannt als Wahiba-Sands), ein Ausläufer der Rub al-Khali (das “leere Viertel”), der größten zusammenhängenden Sandwüste der arabischen Halbinsel. Hier gibt es zahlreiche mehr oder weniger gut ausgestattete Wüstencamps für Touristen, von denen uns eines für die Nacht beherbergt. Da Wüstensandpisten für Crossrennräder eher ungeeignet sind, wenden wir uns am vierten Tag wieder nach Westen Richtung Nizwa, einer alten Handelsstadt. Bis ins 12. Jahrhundert war Nizwa Hauptstadt, auch später noch immer ein religiöses und kulturelles Zentrum Inner-Omans. Doch ganz bis nach Nizwa schaffen wir es an diesem vierten Tag nicht mehr, zu stark bremst der Gegenwind unser Vorankommen auf dieser eher flachen Etappe.
Ein Schild „Wadi Indam Natural Park“ lässt uns von der Hauptstraße abbiegen. Der „Natural Park“ erweist sich als ein öffentlicher Picknick-Platz mit Wasch- und Toilettenhäuschen, wie geschaffen für uns. Doch offenbar nicht nur für uns: Kaum haben wir die Zelte aufgebaut und uns den Staub des Tages abgewaschen, erscheinen zwei Omanis und laden uns zu einer Familienfeier ein. Wir sagen zu und ehe wir uns versehen, verbringen wir den Abend an einem Lagerfeuer inmitten einer omanischen Großfamilie und werden gemästet: Früchte, Kaffee, Tee, Kamelsuppe, Fleisch und Datteln. Und als wir dann endlich dachten, es sei vorbei, gab`s noch ein knuspriges Huhn obendrauf. Ein schöner Abend, der uns wieder einmal beeindruckte. Noch nie haben wir so freundliche, aufgeschlossene Menschen auf einer unserer vielen Touren gesehen.
Am nächsten Morgen gibt’s das gesündeste Frühstück seit langem (wieder Datteln und Bananen) und dann sind wir gegen Mittag in Nizwa. Hier beziehen wir Quartier in einem Hotel und besichtigen am Nachmittag das Nizwa-Fort (eine alte Festung), die Suqs (Basare) und die historische Altstadt. Nizwa hat etwas von 1001er Nacht, touristisch noch relativ unberührt und recht authentisch.
Am nächsten Tag steht im wahrsten Sinnes des Wortes der zweite Höhepunkt der Reise an, die Auffahrt auf den Jabal Al-Akhdar. Was die „Tour de Oman“ (ein kleiner Ableger der „Tour de France“) kann, können wir schon lange und deshalb schrecken uns auch die vielen enggewundenen Linien auf der Karte nicht. Doch schon nach wenigen Kilometern macht eine Polizeistation unserem ungestümen Vorwärtsdrang ein Ende: Nur vierradgetriebene Fahrzeuge dürfen auf das 2000 bis 2350 m hoch gelegene Plateau, keine „normalen“ Autos und, natürlich, Fahrräder erst recht nicht. Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns samt Räder hoch- und später wieder runterfahren zu lassen. “Oben” durften wir fahren. Aber auf dem sehr weitläufigen Hochplateau gibt es noch genug weitere Anstiege, um unser Mütchen zu kühlen; der Ausblick und die Landschaft sind einzigartig und, wir müssen es im Nachhinein zugeben, die Auffahrt mit Gepäck wäre wohl eine schweißtreibende und angesichts der vielen Autos nicht ganz ungefährliche Angelegenheit gewesen.
Das Ende des Tages krönt ein wahrhaftig unwahrscheinliches Treffen: Gerade haben wir unsere Zelte wieder einmal auf einem Sportplatz aufgeschlagen und uns an einem eher tröpfelnden Wasserhahn etwas den Staub aus dem Gesicht gewaschen, da erscheint ein in Dischdascha (das traditionelle knöchellange, weiße Gewand omanischer Männer) und Kumma (omanische Kopfbedeckung) gekleideter Omani: „Do you remember me?“ Ein zweiter Blick und ungläubiges Kopfschütteln: Einer der Männer der omanischen Familienfeier vor zwei Tagen, 150 km davon entfernt, wohnt nur 100 Meter neben unserem Zeltplatz.
„You come in my house“, und schon haben wir eine Einladung in ein omanisches Haus. Noch mal rasch telefoniert und keine zwei Stunden später ist unsere omanische Großfamilie wieder komplett erschienen. Nun geht es von vorne los: Datteln, Kaffee, Tee, Essen und viele Gespräche in gestolpertem Englisch. Die Nacht verbringen wir im Gästezimmer auf dem Boden und haben am nächsten Morgen die größten Schwierigkeiten, uns nach dem Frühstück davon zu machen, ohne den Gastgeber vor den Kopf zu stoßen. Es dauert seine Zeit, einem Omani klarzumachen, dass wir eine Radreise freiwillig und aus reiner Freude am Radfahren machen und dass wir nicht überall mit dem Auto hingefahren werden möchten. Noch 150 km sind es bis zur Hauptstadt Muscat und wir beschließen, die Strecke an einem Tag durchzufahren. Die Straßen werden besser; im Oman kann man problem- und gefahrlos auf einer dreispurigen Autobahn auf dem Standstreifen fahren, und es geht tendenziell zur Küste hin bergab, so dass wir zum Abend hin dann auch bei unserem Hotel in Muscat ankommen. Am nächsten Tag steht dann noch Sightseeing und eine Shopping-mall an und am Folgetag geht es mit der Air Oman wieder nach Hause, Muscat-Frankfurt Direktflug.
Wir waren beeindruckt von den Menschen, ihrer Freundlichkeit und Gastfreundschaft, von den schönen, breiten und oft völlig leeren Straßen, von der beeindruckenden Natur, den Gebirgen, den Pässen, der Wüste.
Etwas Länderkunde:
Der Oman ist etwa so groß wie Deutschland. Es leben dort allerdings nur etwa 4 Millionen Menschen, ungefähr die Hälfte Omanis, der Rest sind vorwiegend indische und pakistanische Gatarbeiter. Das Land ist streng islamisch, die vorwiegende Glaubensrichtung, die Ibaditen, gilt jedoch im Vergleich zu z.B. Sunniten und Schiiten als relativ liberal, offen und friedfertig.
Das Land wird seit 1970 vom absolutistischen Herrscher Sultan Quabus regiert. Er wird von seinen „Untertanen“ jedoch, so unser Eindruck, verehrt und geliebt, da er einerseits das Land seit seiner Machtübernahme 1970 durch einen bescheidenen Ölreichtum aus einer mittelalterlichen Abgeschiedenheit in einen modernen Staat mit Infrastruktur, kostenloser medizinischen Versorgung auf gutem Standard und Schulbildung für Mädchen und Jungen katapultiert hat, und es andererseits verstanden hat, den Ölreichtum so zu verteilen, dass es jedem halbwegs gut geht. Der Staat alimentiert seine Bürger durch Geschenke und gute Jobs vor allem in der öffentlichen Verwaltung. Die Arbeit im Land (kochen, putzen, waschen, bauen) machen die Inder und Pakistaner, aber auch dies scheint für beide Seiten eine win-win-Situation zu sein. Da den Omanis aber klar ist, dass die Ölreserven endlich sind, investiert das Land in den letzten Jahren verstärkt in Tourismus und setzt auf eine möglichst gute Schulbildung seiner jungen Menschen. Die Beziehungen zu Deutschland scheinen außerordentlich gut, deutsche Wirtschaftskraft und Bildung gelten als Vorbilder.
Reisezeit unserer Tour: 24.02.17 – 05.03.17
P.S. Sindbad der Seefahrer, bekannt aus den Geschichten aus 1001er Nacht, soll in Sohar, einer Stadt im Oman, geboren worden sein.